+ 28.07.2014 + Ab 1. August tritt das neue Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft.

Nach der gefühlt 100. Änderung dieses Gesetzes zeichnet sich ab, dass Klimaschutz und Energiewende hinter den Interessen der Industrie stehen.

Sein Mäntelchen nach dem Wind hängen ist etablierte Politik in unserem Lande. Noch vor der Großen Koalition stellte sich die Meinung von Sigmar Gabriel völlig anders dar.

Doch mit groß angelegten Kampagnen überregional für das neue Gesetz Werbung zu machen und damit Medienmaipulation zu betreiben, ist eine andere Hausnummer – und eine völlig neue Erfahrung.

Sucht man Zeitungsanzeigen zu Themen wie „Rente mit 63“, Familienpolitik oder PKW-Maut, so stellt man recht schnell fest: es gibt keine.

Man sollte davon ausgehen, dass Gesetze, die in einer Demokratie verabschiedet werden, keinerlei Zeitungswerbung benötigen. Im Fall der Energiewende scheint das nicht der Fall zu sein. Bei dieser Kampagne des Bundesministers kommt einem recht schnell ein treffendes Wort in den Sinn: Demagogie.

Manuel Gonzalez Fernandez von der Milk the Sun GmbH und Mitglied der Energieblogger hat diese Werbekampagne zum Anlass genommen, einen offenen Brief an Sigmar Gabriel zu schreiben, den wir gerne mit unterzeichnet haben.

Sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel,

wo wir in den vergangenen Tagen auch hinschauten oder hinhörten – überall wurden wir mit der EEG-Reform konfrontiert. Bei all den Änderungen hätten wir uns Informationen gewünscht. Doch was wir vorgesetzt bekamen war penetrante, nichtssagende Werbung.

„Wir haben etwas an der Energiewende gestrichen: Nachteile.“

Das ist die Kampagne, die Sie gemeinsam mit der Bundesregierung nach der Verabschiedung der EEG-Reform geschaltet haben. Auf Plakaten, in überregionalen Tageszeitungen und im Internet. Die Energiewende soll ab dem 01. August planbar, bezahlbar und effizient werden. Ein genauer Blick auf die Kampagne verrät jedoch: Sie und die Bundesregierung wollen uns an der Nase herumführen – und das verraten Sie bereits im eigenen Logo der Kampagne.

Exakt betrachtet besteht die Kampagne nämlich aus zwei Teilen. Aus der Behauptung, „Wir haben etwas an der Energiewende gestrichen“, und der Erklärung, „Nachteile“. Auf dem Bild der Kampagne ist die Erklärung „Nachteile“ bereits durchgestrichen. In der Behauptung wird davon gesprochen, diese zu streichen. Wir haben es hier also mit einer doppelten Verneinung zu tun. Die gestrichenen Nachteile wurden gestrichen. Was nach der EEG-Reform also bleibt sind vor allem eines: Nachteile.

Eine bodenlose Kampagne voller Widersprüche

Doch bei diesem Widerspruch, Herr Gabriel, – oder bei dieser Offenbarung – bleibt es nicht. Die Dreistigkeit einmal außer Acht gelassen, dass Sie mit dieser Werbekampagne unnötig Steuergelder verprassen, wird das auch noch ohne Generierung eines Mehrwerts getan. Denn die Kampagne beinhaltet keinerlei Sachinformationen für den Rezipienten. Viertelseitige Anzeigen bei den überregionalen Tageszeitungen belaufen sich auf Kosten zwischen 15.000 und 25.000 Euro für eine einmalige Schaltung – bei einem Aussagegehalt von null Prozent kann diese Investition als rausgeschmissenes Geld betitelt werden.

Planbar, bezahlbar und effizient soll die Energiewende laut Ihrer Kampagne werden. Attribute, dessen Definitionen Sie wohl nicht allzu genau studiert haben. Der erste Vokabeltest ist nämlich schon einmal schief gelaufen. Denn obwohl die Anzeige je nach Betrachtungswinkel mehr oder weniger „gut“ geplant war, ist sie weder gerechtfertigt bezahlbar noch aufgrund des fehlenden Sachgehalts in irgendeiner Form effizient. Die Kampagne ist schlecht geplant, viel zu teuer und ohne Effizienz geschaltet worden.

Im Übrigen ist eine Anzeigenschaltung zur Verabschiedung eines Gesetzes ein Eingeständnis von Fehlern. Fehler, die Sie durch eine Anzeige schönreden müssen. In einer Demokratie verabschiedete Gesetze haben bisher noch keine zusätzliche Manipulation der Medien gebraucht, um akzeptiert zu werden.

Die Lügen hinter „planbar, bezahlbar, effizient“

Das ist jedoch kein Wunder, haben Sie bereits in der Planungsphase der EEG-Reform diese drei Attribute „planbar“, „bezahlbar“ und „effizient“ nicht verstanden. Denn von einer guten Planbarkeit der Energiewende ist die EEG-Reform weit entfernt. Mit der Deckelung für Photovoltaik- und Windstrom dauert die Energiewende noch über 100 Jahre. Zeit, die wir im voranschreitenden Klimawandel nicht haben.

Auch bezahlbar wird die Energiewende dank der EEG-Reform keineswegs. 100 Milliarden Euro zahlt die deutsche Volkswirtschaft jährlich für Kohle-, Gas- und Ölimporte. Die dadurch entstehenden Klimaschäden werden Berechnungen zufolge fünfmal teurer als eine intelligent und effektiv organisierte Energiewende. Das Bundesumweltministerium hat jüngst sogar Schwierigkeiten bei der Einhaltung der der Klimaziele bis 2020 zugegeben.

Darüber hinaus haben kleine und mittlere Stromverbraucher im vergangenen Jahr 20 Milliarden Euro für die Energiewende aufbringen müssen. Steuerzahler mussten in den letzten Jahren 400 Milliarden Euro für Kohle- und Atomsubventionen zahlen. Das ist alles andere als bezahlbar. Aus diesen Missständen lässt sich auch beim besten Willen keine Effizienz extrahieren. Solange die Energiewende eine Kohlewende ist, steht die Effizienz der EEG-Novelle in weiter, unerreichbarer Ferne.

Was wirklich gestrichen wurde

Aber es stimmt, Herr Gabriel, an der Energiewende wurde wirklich etwas gestrichen: Die Vorteile für deutsche Verbraucher, die deutsche Volkswirtschaft und zehntausende Arbeitsplätze der Zukunftsbranche der Erneuerbare Energien. Außerdem wurde die Förderung der Erneuerbaren Energien gestrichen, um wiederum die Kohle weiter zu fördern. Darüber hinaus wurden Menschenrechte gestrichen, die eine selbstverständlich kostenfreie Nutzung der Sonnenenergie garantierten. Nun gibt es die Sonnensteuer.

Herr Gabriel, auch die Bürger haben etwas gestrichen. Nämlich die Nasen – und zwar gestrichen voll.

 

Hochachtungsvoll,

 Manuel Gonzalez Fernandez, Milk the Sun

 Björn-Lars Kuhn, Proteus Solutions GbR

 Thorsten Zoerner, stromhaltig.de

 Daniel Bönnighausen, Energieblogger

 Kathrin Hoffmann, Windwärts

 Kilian Rüfer, SUSTAINMENT

 Erhard Renz, Sonnenflüsterer

 Tina Ternus, photovoltaikbuero

 Martina Appel (GF), SolarArt GmbH & Co. KG

 Armin Hambrecht (GF), SolarArt GmbH & Co. KG

 Jürgen Haar, photovoltaikforum

Quelle:

Proteus Solutions GbR | Manuel Gonzalez Fernandez | Björn-Lars Kuhn 2014